Montag, 12. September 2022

Das Höchste kommt zum Schluss - oder - Pinguinwohnraumgewinnung am frühen Morgen

 Nachdem ich in Quito noch ein paar Tage Zeit habe, bevor es wieder zurück nach Europa geht, wollte ich die Zeit noch etwas sinnvoll nutzen und nicht nur den ganzen Tag Empanadas essen und Lama-Pullover shoppen gehen. Eine geografische Besonderheit für die Ecuador bekannt ist sind seine zahlreichen, häufig noch aktiven Vulkane und was läge da näher als sich einen solchen mal aus der Nähe anzuschauen, vorzugsweise von der Spitze aus. Ein Kandidat, der sich nahezu aufdrängt ist der Cotopaxi, der mit einer Höhe von 5897 Metern immerhin den Weg hinauf lohnen würde und als dritthöchster aktiver Vulkan auch eine interessante Herausforderung ist. 

Was bei so großen Höhen zu berücksichtigen ist, ist dass man nicht einfach so vom Strand auf einen fast 6000m hohen Berg joggen kann, weil der abnehmende Luftdruck dort noch andere Probleme macht als ausgebeulte PET Flaschen und die Tatsache, dass man aufgrund des reduzierten Siedepunkts von Wasser auf unter 80° etwas länger auf sein hartgekochtes Ei warten muss. Je nachdem welcher Informationen man Glauben schenken darf, sollte man sich zwischen fünf und zehn Tagen akklimatisieren, also in sich in größerer Höhe aufhalten und dünne Luft atmen, am besten kombiniert mit ein paar Wanderungen auf kleinere Berge. Da das Datum meines Rückflugs feststeht, steht auch die Dauer meiner Akklimatisierung fest und ich hoffte, dass diejenigen recht haben, denen fünf Tage reichen. Quito selbst liegt mit seinen 2900m ja glücklicherweise schon ziemlich hoch, sodass der Mittagsschlaf im Hotel schon aktive Vorbereitung aufs Bergsteigen ist - eigentlich ein Traum. Um meinen Körper vielleicht noch einen Tick effektiver als durch Nickerchen auf die Besteigung vorzubereiten habe ich am Dienstag nach meiner Ankunft die Tatsache genutzt, dass es in Quito eine Bergbahn gibt - den Teleferiqo - die Besucher auf ca. 4000m bringt damit sie von dort aus den Blick über die Stadt genießen können. Gleichzeitig gibt es ausgehend von der Bergstation einige Wanderwege, sodass man sich dort oben ein wenig an die Höhe gewöhnen kann. 

Ich hatte mir Tags zuvor auf dem Rückweg scheinbar einen kleinen Schnupfen eingefangen und eine dichte Nase und Kratzen im Hals. Vielleicht war das teileweise dafür verantwortlich, dass mir der Unterschied zwischen den 2900m im Stadtzentrum zu den 4000m an der Bergstation wirklich deutlich vorkam. Selbst bei kürzeren steilen Strecken habe ich mich angehört wie Peter Ludolf nach einem Sprint zum Kühlschrank und man konnte intensiv spüren wie die Leistungsfähigkeit in den Keller geht. Ich habe mich für den ersten Tag in der Höhe auch mit einer kleinen Wanderung in der Umgebung zufrieden gegeben und erfreut festgestellt, dass es bei der Seilbahn auch ein kleines Kaffee gibt, das relativ durchschnittlich guten und überdurchschnittlich teuren Karottenkuchen verkauft.

Für den Tag darauf habe ich wieder die Seilbahn nach oben genommen, diesmal aber eine etwas ambitionierte Wanderung auf den Rucu Pichincha machen wollen. Mit immerhin 4776 m ist dieser aktive Vulkan höher als fast alles was wir in Europa so haben. Da ich beim Packen meiner Sachen für Ecuador nicht wirklich damit gerechnet hatte, Berge zu besteigen, sind meine einzigen outdoortauglichen Schuhe Halbschuhe, was auch interessant werden sollte. Der Weg zum Rucu Pichincha führt über ein paar Bergrücken parallel zur Stadt Quito und bietet hin und wieder einen netten Ausblick auf die Stadt.


Von der Bergstation der Seilbahn sind es auch nur ungefähr 800 Höhenmeter zum Gipfel, jedoch ist das letzte Stück ein wenig eigenwillig. Es handelt sich um einen Klettersteig, der den vertrauenserweckenden Name "Paso de la Muerte", also Pfad des Todes trägt. 

Einer kurzen Recherche zufolge trägt er diesen Namen wohl auch nicht ganz zu Unrecht und ohne entsprechende Ausrüstung und mit Halbschuhen wollte ich mich dann auch nicht gleich zum Gespött der Leute machen, indem ich ausgerechnet am gleichnamigen Pfad den Tod finde. Selbst ohne die Kletterpartie war das letzte Stück gar nicht so einfach, nämlich extrem steil und sandig. Man hat sich ein bisschen gefühlt wie auf einem Cross-Stepper im Fitnessstudio, bei dem man mit jedem Schritt zwar vier Eimer Sand beiseite schiebt, aber keinen Zentimeter vorwärts kommt - dafür waren die Schuhe von innen bald mit einem köstlichen Sandpolster ausgekleidet. Aber nach ein wenig Sandtreten hatte ich es dann zumindest Mal an den Anfang des Klettersteigs geschafft, habe mir die letzten 140m dann geschenkt und bin überdurchschnittlich lebendig einen diesmal sehr durchschnittlichen Käsekuchen im Cafe der Bergstation essen gegangen.

Die Cotopaxi-Besteigung hatte ich schon während meiner Zeit in Merazonia gebucht und um ein bisschen besser vorbereitet zu sein habe ich eine 3-Tagestour gebucht, bei der quasi noch ein Probegipfel dabei ist. Nach dem Rucu Pichincha habe ich dann einen kulturell wertvollen Ruhetag im ecuadorianischen Nationalmuseum eingelegt und konnte an dem Tag auch meine Leihausrüstung anprobieren. Auch wenn der Hausberg in Quito vielleicht noch mit Halbschuhen zu besteigen ist, der Cotopaxi hat einen großen Gletscher und es wird doch mal etwas frischer an der Spitze, sodass ich von meinem Reiseveranstalter mit allerlei Spielzeug wie Eisaxt, Steigeisen oder Gamaschen ausgestattet wurde. Am Tag darauf wurde ich dann morgens um sechs Uhr von einem Guide abgeholt und wir fuhren in den nach dem Vulkan benannten Nationalpark Cotopaxi um dessen kleinen Nachbarn, den Rumiñahui hoch zu kraxeln. Mit dem Wetter hatten wir riesiges Glück und der riesige Cotopaxi im Hintergrund war fast wolkenfrei während des Großteils der Wanderung zu sehen.


Gestartet wurde die Wanderung am einem Bergsee auf ca. 3900m, wobei der Weg dann über weitgehend angenehme Wege bis kurz vor dem Gipfel führte. Die letzten ca. 100 Höhenmeter waren dann wieder ein furchtbar steiler Sandkasten, den ich mit ähnlich geringer Begeisterung und ähnlich ausgeprägter Wüstenbildung in meinem Fußbett wie am Rucu Pichincha hoch steppen musste. Oben war es vor allem kalt und windig, sodass der Aufenthalt sich auf eine kurze Verschnaufpause beschränkte.

Beim Heimweg hatte mein Guide es etwas eilig - er hatte vorher schon einige unentspannt klingende Telefonate absolviert - sodass wir zur Zeitersparnis den Weg nach unten gejoggt sind. Auf dem Weg nach oben hätte ich es mir absolut nicht vorstellen können, aber mein Körper hat sich gegen diese Form der Express-Akklimatisierung nicht gewehrt und nach weniger als zweieinhalb Stunden Aufstieg und ca. einer Dreiviertelstunde Herabjoggen war das Vorbereitungsprogramm dann abgeschlossen.

Für den nächsten Tag vor überwiegend Ruhe verordnet. Den Tag über galt es sich auszuruhen, da die Besteigung gegen Mitternacht startet und man bis dahin versucht seine Kräfte zusammen zu halten. Das sollte mir nicht allzu schwer fallen, denn die Unterkunft hatte eine sehr gemütliche Sitzecke, durch deren Fenster man das spätere Reiseziel wie auf einem Plakat bestens im Blick hatte.

Nach dem Versuch eines Nickerchens nach dem Abendessen ging es dann um 22:30 damit los, sich anzuziehen und die Sachen zu packen. Von der Unterkunft aus war es eine halbe Stunde Autofahrt zum Ausgangspunkt und es fing schon direkt spannend an. Mir war schon am Vortag aufgefallen, dass das Profil der Reifen aussah wie die Frisur von Vin Diesel und tatsächlich sollte das nicht dabei helfen, das steile Stück hoch zum Parkplatz zu kommen. Mehrere Kurven musste der Guide viermal probieren, bis wir uns dann mit durchdrehenden Reifen irgendwie vorwärts gearbeitet hatten. Obwohl der Wetterbericht eigentlich ganz gut ausgesehen hatte wartete dann am Parkplatz schon die erste Überraschung auf uns: es war so windig, dass man beim Aussteigen die Autotür festhalten musste, damit der Wind sie nicht erst auf- und dann abreißt und außerdem regnete es etwas. 
Mit uns am Start waren insgesamt laut Aussage meines Guides mehr als hundert andere Kletterer. Alleine in unserer Unterkunft war schon eine Gruppe von 40 Wagemutigen zusammen mit ihren 20 Guides gewesen. Das Bild war dabei teilweise absolut gespenstisch: in tiefster Nacht in einer Marslandschaft aus Sand und Steinen laufen Dutzende Menschen in einer Schlange hintereinander her, ganz langsam und nur erhellt von ihren Kopflampen. Diese Irrlicht-Polonaise schlich sich dann, wie wir auch vom Parkplatz auf ca. 4500m bis zur ersten Zwischenstation, des Refugio Jose Rivas auf 4800m hoch. Das Refugio ist dabei eine kleine bewirtete Hütte, wie es sie auch in den Alpen gibt und sie war proppevoll mit kommenden und gehenden Kletterern. In der Hütte haben wir das Licht und die Windstille genutzt um die letzte Ausrüstung, wie den Klettergurt und die Gamaschen anzulegen.
 
Der Weg zur Hütte war durchaus angenehm gewesen und auch die nächsten 150 Höhenmeter verliefen zwar relativ steil aber gut machbar über lockere Erde und Geröll. Etwas unter 5000m wurde es dann langsam erster - der Anfang eines schneebedeckten Geröllfelds machte es notwendig, die Steigeisen anzuziehen und außerdem wurde ich mit einem Sicherheitsseil an meinen Guide gefesselt. Bereits auf der Höhe war es äußerst unangenehm kalt und selbst nach der kurzen Zeit, die es benötigte die Steigeisen anzulegen, wofür zwangsläufig die Handschuhe ausgezogen werden mussten, waren die Finger schon taub und zwickten wie vom Kapuzineraffen gebissen beim wiederauftauen. Gleichzeitig hatte der Wind deutlich zugenommen und es war ziemlich schwierig geworden sich trotz Brüllens zu verständigen und damit wir uns auch wirklich herausgefordert fühlten setzte gefrierenden Regen ein. 

Der Weg führte erst über das Geröllfeld und anschließend auf den Gletscher des Cotopaxi. Dabei mussten wir permanent gegen den immer stärker werdenden Wind ankämpfen. Zu diesem Zeitpunkt hatte er bereits eine Stärke von 60km/h entwickelt und blies Regen und Eis unangenehm ins Gesicht, fror meine Nase ein und machte vor allem das vorankommen ungleich anstrengender. Meine Erfahrungen im Besteigen von Gletschern lässt sich sehr präzise auf null Tage, null Stunden und null Minuten zusammenfassen, sodass ich mir zunächst die Technik im Umgang mit den Steigeisen aneignen musste.
In den Tagen vorher muss einiges am Neuschnee gefallen sein, sodass es keine ausgetretenen Wege den Gletscher hinauf gab. Stattdessen musste man seine Steigeisen kräftig in die steile Schneemasse rammen damit diese dort Halt finden und man sich hoch drücken kann. Dabei musste ich einerseits feststellen, dass man überwiegend den vorderen Teil des Fußes belasten muss, da man sonst wieder absackt und andererseits setzte der vom Sand bekannte Cross-Stepper-Effekt dadurch ein, dass der Schnee mit jedem Schritt ein gutes Stück nachgibt. Anstelle von Wanderstöcken hatte ich nur eine Eisaxt, die aber eigentlich so 10cm zu kurz war um sich damit vernünftig abdrücken zu können. Man kann also zusammenfassen: der Weg war sehr, sehr anstrengend. Mit dem permanenten Wind und Eisregen war an Fotos machen nicht zu denken, auch weil ich definitiv meine Handschuhe nicht ausziehen wollte. Ich habe aber Mal zwei gemeinfreie Bilder vom Aufstieg auf den Cotopaxi gefunden, die vielleicht eine Idee von der Route geben:


Durch den gefrierenden Regen hatte sich zudem auf sämtlicher Kleidung und dem Rucksack eine dicke Eisschicht gebildet, sodass ich gar nicht wissen möchte wie viele Kilogramm potenziellen Pinguinwohnraums ich zusätzlich den Berg hinauf geschleppt habe. 
Durch den extremen Gegenwind kamen wir nicht so gut voran wie erwartet und nach ungefähr vier Stunden waren wir an einem Bergrücken angekommen, dem wir Richtung Gipfel folgen mussten. An Tagen mit gutem Wetter schaffen es manche Gruppen innerhalb von knapp vier Stunden auf den Gipfel, wir hatten zu dem Zeitpunkt Grade etwas mehr als die Hälfte. Der Bergrücken ist deswegen extrem unangenehm, weil er sehr exponiert ist und der Wind dort mit einer Gewalt entlang fährt, wie ich es bislang nicht erlebt hatte. Ich habe in Island Tage erlebt an denen die Anzeigetafeln Windgeschwindigkeiten von 100km/h angezeigt haben, aber Wind an diesem Bergrücken fühlte sich noch einmal heftiger an. Nur mit der Kraft der Beine war es nicht möglich, auch nur einen Zentimeter voran zu kommen. Ich musste mich mit beiden Armen von meiner in den Boden gesteckten Eisaxt abdrücken um überhaupt gegen den Wind anzukommen. An mehreren Stellen musste ich auf allen Vieren über den Boden kriechen, weil ich sonst einfach rückwärts zurück geblasen worden wäre. 
Einen Eindruck von dem Wind verleiht vielleicht das folgende Video. Mein Guide hat es auf dem Rückweg aufgenommen und der Wind war ungleich schwächer als am Bergrücken selbst, wo am filmen nicht zu denken war. Auch wenn es so aussieht als hätte ich meinem Flachmann ein wenig zu viel Aufmerksamkeit geschenkt, das vom Wind straff gespannte Seil lässt erahnen wie sehr es dort gepustet hat.

Nach dieser Passage war ich zugegebenermaßen schon gut erledigt und hätte mir am liebsten ein Iglu für gebaut, dass ich so schnell nicht verlassen hätte.
Man kann auf dem Bild ganz gut erkennen, wie alles von einer weißen Eisschicht bedeckt ist. Sogar in meinen Wimpern hatten sich ansehnliche Eiszapfen gebildet. Das Bittere an der Situation war, dass ich wusste, dass der schwierigste Teil noch bevorsteht. Die letzten 200 Höhenmeter zum Gipfel sind mit 35-45° extrem steil und standen noch bevor. Vorsichtige Hinweise meinerseits an meinen Guide, das ich nicht wisse ob ich da jetzt so locker hoch marschieren würde wurden mit aufmuternd Gebrüll gegen den Wind quittiert. Und tatsächlich war das letzte Stück wirklich absolut kein Spaß und eine Plackerei wie ich sie noch nicht erlebt habe. Nach scheinbar vielen Stunden, konnte ich plötzlich den charakteristischen Schwefelgeruch von Vulkanen riechen. Das war für mich das Zeichen, dass es nicht mehr weit bis zum Krater und damit zum Gipfel sein kann und das hat mich dazu bewogen meinen Iglu-Bau vorerst auf die Rückreise zu verschieben. 
Irgendwann war es dann geschafft und wir sind wirklich auf dem Gipfel angekommen, wo die folgenden Videos entstanden sind. Durch den Eisregen ist das Objektiv leider von Eis bedeckt, aber es lässt sich vielleicht erahnen was für einen Ausblick man auf die frisch aufgehende Sonne hat und wie sich zwei Bergsteiger über ihren Erfolg freuen.



War der Weg den Berg hinauf schon anstrengend gewesen, so war der Rückweg meine persönlich Hölle. Alle Energie war für den Aufstieg drauf gegangen und die sechs Stunden die wir auf den Gipfel gebraucht haben hatte ich nur drei Stücke Schokolade essen können. Alles andere an Snacks hätte das Ausziehen der Handschuhe erfordert, was bei Temperaturen am Gipfel zwischen -15° und -20° wahrscheinlich wieder mit dem Gefühl vieler Kapuzineraffenbisse einher gegangen wäre. So war der Weg zurück mehr ein Stolpern und Rutschen und mehr als einmal bin ich auf die Knie gefallen und konnte einfach nicht mehr weiter. Das schlimmste Stück war dann der teilweise eingeschneite Geröllfeld, weil der Schnee dort nicht tief genug war, als dass die Steigeisen sich hätten eingraben können. Stattdessen war es mit den Metallzähnen unter den Füßen wie ein Eiertanz auf dem Steinen und ich hatte mehr als einmal Angst umzuknicken. Irgendwann konnte ich die Steigeisen dann wieder ausziehen und als ich sie in den Rucksack verstauen wollte und diesen dafür abnehmen und auf den Boden stellen musste wurde er von einer Sturmböe erfasst und kullerte ins Tal. Ich hatte zwar einer Eingebung folgend nichts außer Essen und Trinken eingepackt, hatte mich aber schon innerlich vom Rucksack verabschiedet. Mein Guide sollte ihn glücklicherweise eine Viertelstunde später wiederfinden, wofür Ich ihn extrem dankbar war. Apropos trinken: schon bei Beginn des Rückwegs hatte ich relativ geschmacksarmes Slush-Eis in meinen Flaschen, spätestens ab der zweiten Hälfte nur noch Eis.

Unendlich erleichtert war ich, als ich das Refugio sehen konnte und wusste, dass es bis geschafft ist.

Kurz nach Erreichen des Gipfels hatte mein Guide unsere Position durchgegeben und gleichzeitig die Nachricht zurück bekommen, dass alle anderen Gruppen umgekehrt seien. Auf dem Abstieg waren wir noch einem Duo begegnet, aber aufgrund der fortgeschrittenen Zeit war es schwer zu sagen, ob sie es noch auf den Gipfel geschafft haben. Die Besteigung wird mitten in der Nacht begonnen, weil es dann man kältesten ist und der Schnee somit am stabilsten. Gleichzeitig wird die Gefahr eines White-out vermieden, also der völlige Verlust der Sicht durch den reflektierenden Schnee und die Sonne. 

Zurück in der Unterkunft hatte es sich schon herumgesprochen, dass von den mehr als hundert gestarteten Kletterern es wohl nur zwei auf den Gipfel geschafft hatten und so kamen uns dort schon mehrere Guides entgegen um uns zu gratulieren. Bis wir wieder unten waren hatte ich nicht gewusst, dass ich mit meinem Guide vermutlich als einziges die Strapazen überstanden hatten und zugegebenermaßen hatte ich mich mehrfach gefragt ob ich so ein weichgespülter Großstädter bin, dass ich so vollkommen am Ende nach der Tour war. Da tat es gut zu hören, dass das Wetter das Unterfangen diese Nacht wohl deutlich schwieriger gemacht hat und die Tatsache, dass ich auf dem Gipfel nicht einmal mehr die Kraft hatte zu stehen hoffentlich entschuldbar ist.



Donnerstag, 8. September 2022

Noch mehr Affen rasen durch den Wald - oder - Umkehr-Lachs im freien Fall

 Für mich ist jetzt schon die letzte Woche in Merazonia angebrochen und auch wenn ich anfänglich sicher war, dass meine Begeisterung für gekühlte Lebensmittel und trockene Füße überwiegen würden, so bin ich doch traurig, dass sich die Zeit dort dem Ende nähert.

Nachdem mein letztes Affenspielzeug begeistert von den Kapuzineraffen auf die dafür vorgesehene Art und Weise zerlegt wurde, durfte ich die die kleinen Racker noch ein Nachfolgemodell entwickeln.



Dabei können die Affen mit dem gegen herausziehen gesicherten Stock die Früchte von den Nägeln puhlen und sie anschließend am Boden in Richtung von Löchern schieben, durch die sie ihre Beute dann greifen können. Nachdem das Gerät auf Verletzungsgefahr für übermotivierte Primaten und für gut befunden wurde, durften wir es dann im Affenkäfig aufhängen. 
Insgesamt gibt es 5 Kapuzineraffen, wobei Zwei Männchen gemeinsam gehalten werden und zwei Weibchen mit einem weiteren Männchen. Auch wenn die Äffchen putzig aussehen, so darf man sich nicht von ihrem arglosen Äußeren täuschen lassen.




 Erst am morgen hatte eine der Helferinnen beim putzen der Käfige kurz eine Hand zum abstützen gegen einen der besetzten Käfige gehalten und der garstige Insasse hatte sich gleich einen Finger geschnappt und herein gebissen.

Als wir nun meine Zauberbox in einem der Gehege aufhängen wollten, waren die Affen in anderen Teilen das Käfigs eingesperrt und hätten uns eigentlich nicht bei der Arbeit stören können sollen. Eigentlich - denn sie rissen und zerrten so lange an einem der schon etwas angerosteten Befestigungsseile für die Absperrklappen, bis eines davon Riss. Und schon sprang das Männchen, das mit den Weibchen gemeinsam lebt in das Abteil hinein, in dem wir Grade arbeiteten. Mein Kollege hatte das Klappern der Klappe gehört und starrte mit großen Augen den Affen an, der nur ungefähr eine Armeslänge entfernt auf einem Ast über uns saß und meinte zu mir nur "Shit, run!". Der Flüchtige auf dem Ast überlegte in diesem Moment augenscheinlich noch ob er uns angreifen sollte, doch diese Entscheidung nahmen wir ihm durch einen geordneten Rückzug liebend gerne ab. Im Gegensatz zum letzten Mal war nur eine Verbindung zwischen den Käfigteilen unfreiwillig geöffnet worden und als wir die Tür von außen schlossen konnte immerhin nicht wieder ein Insasse entkommen. Insbesondere weil ich diesmal wieder mit dem gleichen Kollegen unterwegs war, mit dem wir die unfreiwillige Auswilderung bei den Woolies geprobt hatten, wollten wir uns diesmal doppelt versichern, dass wir den Affen nicht selbst frei gelassen hatten, doch das Beweisstück des gerissenen Seils sprach für sich.

Glücklicherweise konnte jemand die Ersatzteile aus dem Dorf mitbringen, sodass ich am selben Tag noch ein neues seol einziehen konnte und zukünftige Volunteers hoffentlich von überraschenden Affenbesuchen verschont bleiben. Später am Abend konnten wir die Box dann auch endlich aufhängen und wie man sieht, ist an dem Kapuziner nahezu ein Hirnchirurg verloren gegangen.


Kurz vor meiner Abreise gab es dann noch einen Activity Day, bei dem wir ein kleines Naturbecken zum Baden, inklusive Seilrutsche und Volleyfeld gemietet hatten. Problematisch an dem Becken war, dass das Wasser nur ca. Hüfthöhe hatte und sich damit Akrobatik vom Beckenrand Verbot. Alternativ sind wir dann kreativ geworden und haben Zipline-Rugby entwickelt:


Beim Volleyball durften wir feststellen, dass die Ecuadorianer eine eigene Abwandlung des Sports haben, mit einem deutlich höheren Netz und vermutlich einer Reihe anderer Regeln die keiner von uns kannte. Was hingegen jeder von uns hinterher kannte waren die vermutlich leckersten Hautstellen, denn nach einer Stunde spielen waren wir so zerstochen als wären wir mit einer Horde Stachelschweine in einem Moshpit gewesen.
Anschließend haben wir auf dem Weg zurück ins Camp noch etwas Essbares gesucht, aber anders als im touristischen Baños gibt es im kleinen Mera keine richtigen Restaurants sondern in diesem Fall nur eine Dame mit einem großen Topf voller undefinierbarer Fleischstücke, sowieso Maispuffern. Aber wir wären dankbar, dass wir etwas zu essen bekommen und so war der einzige Raum mit einem Tisch dann auch schon bald gerappelt voll ist und wir haben alle ein original ecuadorianisches Gericht unbekannt Namens verspeist. Die Besitzerin des Imbisses schien sich aber über die Horde Gringos zu freuen, die bei ihr eingefallen sind und auch wenn das Fleisch etwas abenteuerlich aussah, haben es wohl alle unsere Mägen klaglos zur Kenntnis genommen.

In Merazonia hatte dann auch schon am freirag mein letzter Tag angebrochen und ich habe mich für einen kleinen Zwischenstopp nach Baños abgeseilt, bevor es dann endgültig zurück geht. Auch wenn ich mich von einigen verabschieden musste, so hatten wir uns mit einer Gruppe am Sonntag noch dazu verabredet, die berühmten Wasserfälle "El Pailon" bei Nacht anzuschauen.
Vorher blieb mir noch ein Tag in Baños, dem ich gewinnbringend verwerten musste und so beschloss ich etwas auszuprobieren, was ich schon lange hatte tun wollen, nämlich Canyoning. Wer es nicht kennt - es handelt sich mehr oder weniger um die umgekehrte Darstellung des Lebens eines Lachs. Anstatt einem Fluss hinauf zu schwimmen, springen oder rutschen wird in diesem Fall ein Canyon herab geschwommen, gesprungen oder gekrochen. Um dabei die dem Lachs gegebene Schwanzflosse zumindest teilweise ausgleichen zu können, finden Seile, Sicherungsgeräte und Neoprenanzüge Anwendung. 
Eigentlich wollte ich die "große Runde" fürs Canyoning buchen, jedoch scheinen nicht viele andere Besucher Baños ihre Bestimmung als Umkehr-Lachs gefunden zu haben, sodass ich die einzige Anmeldung angegeben habe und auf eine kleinere Runde umsatteln musste. Nachdem ich dann gemeinsam mit einem amerikanischen Pärchen in die Neos geschlüpft war, gab es eine kurze Einweisung und schwupps waren wir auch schon dabei einen Weg entlang von Wasserfällen hoch zu laufen. Als erstes galt es dann oben angekommen sich in einem Wasserfall an einem Seil abzulassen. Auch wenn man das vielleicht vom Klettern kennt, gewinnt die Angelegenheit ein wenig Komplexität dadurch, dass man das Sicherungsgerät selbst bedienen muss während es abwärts geht, man nicht wirklich sehen kann wo man hin tritt, da überall Wasser ist und dann ist da auch noch der Umstand, dass der Wasserfall selbst einem mit mehreren tausend Litern pro Minute den Schweiß von der Stirn spült.

Nach dem Abseilen gab es noch eine Passage in der man auf dem Po rutschend seinen Weg ins Tal suchen musste und als Abschluss kam ein Sprung rückwärts einen ca. 16m hohen Wasserfall hinunter.

Alles in allem ein feuchtfröhliches Vergnügen, es hätte nur ein wenig länger sein können. Nach ungefähr zweieinhalb Stunden war der Spaß auch schon wieder vorbei. Den Rest des Tages habe ich dann genutzt eine der am häufigsten beworbensn Attraktion hier zu besuchen: "Los Manos der Dios".
Auf jedem Schild jedes Tourenanbieters hier kann man Bilder von gezwungen grinsenden Leuten auf einem Laufsteg hoch über Baños sehen, der durch zwei übergroße Papmaché-Hände führt. Es hat sich mir bislang nicht erschlossen, ob es sich dabei um ein Denkmal für Langfinger, eine Gedenkstätte aus Dankbarkeit für 
opponierbarer Daumen welche die Evolution uns geschenkt hat oder einfach um einfallslose Griffel handelt. Immerhin war es für mich eine anderthalbstündige Wanderung 800m die Bergkette hoch. Getrübt wurde diese durch voll mit einheimischen Touristen beladene, umgebaut LKW die allesamt mit unfassbar lauter Musik an mir vorbei sie sterile Straße fuhren, sodass ich zwischendurch das Gefühl hatte, in einer um 45° geneigten Love Parade zu stecken. Die Hände selbst waren dann erwartet unspäktakular und der Ausblick auf die Stadt war dank dichter Wolken unerwartet unspektakulär.


Kurz vor meiner Abreise nach Quito stand dann noch der bereits erwähnte Besuch des El Pailon Wasserfalls an, der nachts bunt beleuchtet wird. Die herabstürzenden Wassermassen sind in der Tat recht beeindruckend und auch wenn er durch die bunte Färbung ein wenig den Charme aufmüpfigen Wackelpuddings hat ist es doch ein imposanter Anblick, der allerdings nur vollkommen unzureichend von einer Handykamera eingefangen werden kann.

Scheinbar aus Angst, die tollpatschigen Touristen könnten sich die Füße brechen wurden wir die ganze Zeit von einem Guide mit Taschenlampe begleitet, was vermutlich weder für ihn noch für uns ein Gewinn war. 
Was allerdings unseren Entdeckergeist geweckt hat war ein Gang durch den man sogar hinter den Wasserfall kommen konnte - jedoch nicht ohne der Umgebung gebührend nass zu werden. Aber wenn wir uns an eins in der Zeit im Regenwald schon gewöhnt hatten, dann ans nass werden.

Den Tag der Abreise hatte ich noch ein paar Stunden Zeit, bis ich den Bus zurück Richtung Quito nehmen musste und wie es das Schicksal so wollte stand gleich neben dem Busbahnhof noch eine Beschäftigung für die letzten Minuten bereit. Ein Ecuadorianer hatte festgestellt, dass die dort befindliche Brücke doch eigentlich viel zu schade wäre um darüber nur Autos fahren zu lassen und hat ein Bungee-Jumping à la so it yourself angeboten. Im Endeffekt waren es ein paar Kletterseile die kunstvoll um und durch die Brücke geschlungen waren, aber ich hatte sie Tage zuvor schon Leute springen und überleben sehen, da habe ich mich auch zu einem Versuch hinreißen lassen. 


Mit der Abreise Richtung Quito geht wieder ein Abschnitt zuende und auch wenn ich die Arbeit selbst in Merazonia vielleicht nicht unbedingt vermissen werde, so doch ganz bestimmt die Leute und die Stimmung dort. Wie da alle auch bei widrigsten Bedingungen mit angepackt haben und immer ihre Hilfe angeboten haben ist sicher nicht selbstverständlich und ich hoffe, dass ich den ein oder anderen vielleicht noch Mal wieder sehe.

Sonntag, 4. September 2022

Die Affen rasen durch den Wald - oder - frisch in der Küche eingetroffen: Danger-Noodle

 Mit Anbruch der dritten Woche hier merke ich langsam, wie mein Körper sich an die Umgebung und das Wetter gewöhnt und die Arbeit doch mittlerweile deutlich leichter fällt. Während ich in der ersten Woche nach Ende der Abschlussbesprechung ins Bett gefallen bin wie eine narkoleptische Ziege, habe ich abends nun meistens sogar noch die Energie meine Yogamatte auszurollen. Ein bisschen Gesundheit für den Rücken schadet definitiv auch nicht bei der Arbeit hier. Je nachdem, auf welcher Runde man eingeteilt ist, verbringt man 4 bis 6 Stunde in gebückter Haltung um durch Käfige zu kriechen, Affenhaufen aufzusammeln, ungegessene Blumenkohlreste zwischen Steinen einzusammeln oder riesige Haufen frisch gesammelter Äste zu schleppen. 

Eine willkommene Abwechslung war, dass ich für ein paar Tage statt der normalen Aufgaben ein paar Projekte übernehmen konnte - wobei es sich dabei um ein Euphemismus handelt, der teilweise in die Irre führen kann. Ein Projekt war beispielsweise, ein Spielzeug für die Kapuzineraffen zu basteln, die notorisch etwas unterbeschäftigt sind. Deren überschüssige Energie wandert dann teilweise darin, dass sie uns beim putzen der Käfige aus ihrem Nachbarkäfig heraus belauern, teilweise wie tollwütige Flughörnchen versuchen anzuspringen oder durch die Gitterstäbe greifen und so auch schon Regenjacken zerrissen haben. Mit einer erstaunlich gut ausgestatteten Werkstatt konnte ich mich dann ans Werk machen und ein Meisterwerk der Primatenunterhaltung erstellen.



Dabei hatte ich heute Gesellschaft von den beiden Hühnern Funkster und Cleo. Eigentlich gab es bis letzte Woche 9 Hühner, die auf nahezu magische Weise unsere Essensreste in Rührei-Rohstoff verwandelt haben, bis ein Hund aus der Nachbarschaft vermutlich sein Bedürfnis nach einem Mitternachtssnack nicht mehr im Griff hatte und die beiden Hühner jetzt die einzigen Überlebenden sind.



Weitere "Projekte" die wir hier haben sind die Neugestaltung von Käfigen, insbesondere des Bodens was nichts anderes heißt als Sandsäcke vom Eingang des Camps zu den Tieren zu schleppen. Sollte in Deutschland die nächste Flutkatastrophe drohen werden die hier erworbenen Fähigkeiten vermutlich Gold wert sein, bis dahin sehe ich das umschichten größerer Landmassen als Workout an. Erst heute habe ich gemessen, wie weit ein Gang ist und in zügigen Tempo sind es je 9 Minuten mit 25-35 kg Sand aufm Buckel.


Als Erholung am Wochenende durften wir noch einen Abstecher nach Baños machen und neben dem obligatorischen Käsekuchen haben wir dort die Termas de Virgenes, die Thermalbäder besucht. Wer sich jetzt eine Saunalandschaft mit weißen Kacheln und Echtholz vorstellt liegt ein wenig daneben - es sind eigentlich drei Koikarpfenteich-große Bäder in unterschiedlichen Temperaturen zwischen 42° und 15° in denen sich ausschließlich Einheimische getummelt haben. Als einzige Touristen wurden wir auch direkt von einer sonst in Amerika lebenden Ecuadorianerin angesprochen, die nicht verstehen konnte wie man weniger als ein Jahr durch ihr Heimatland reisen könne. Abgesehen davon, dass das Wasser die Farbe einer Champignon-Rahmsoße vom Imbiss um die Ecke hatte und Heerscharen von Kindern in der Brühe ihre ersten (und vielleicht letzten) Schwimmversuche gemacht haben war es ganz entspannend und man hatte eine gute Aussicht über die Stadt und den Wasserfall nebenan, den wir später noch Mal aus der Nähe angeschaut haben.



Abends ging es mit der ganzen Mannschaft von Merazoinia zu einem Schweiz Bistro, einem kleinen Restaurant eines ausgewanderten Schweizers, das mitten im Jungle liegt. Neben einem hervorragenden, wenn auch deutlich zu kleinem Camembert-Fondue wird mir vor allem in Erinnerung bleiben dass der Restaurantbesitzer uns ganz am Anfang darauf aufmerksam machte, dass die Toiletten kaputt seien, wir aber gerne den angrenzenden Regenwald um ein paar Tropfen bereichern können - für einen Europäer ein sehr an die örtlichen Gegebenheiten angepasster Lösungsansatz.


Am folgenden Samstag wurde ein nach vielen Monaten Altgedienter verabschiedet, was als Vorwand dienen konnte, das Nachtleben von Baños unsicher zu machen. Für eine recht kleine Stadt ist dort abends unfassbar viel los und es gibt unglaublich viele Bars und Restaurants. Nach einem Burger haben wir den nächsten Stop in einer Rooftopbar eingelegt, von der aus man einen guten Blick über die Stadt hatte.



Endstation war der Leprechaun, ein erstaunlich großer Club, in dem man überwiegend Locals, aber auch einige Touristen finden konnte. In der Mitte der Tanzfläche brannte ein riesiges Lagerfeuer, bei dem ich mich mehrfach gefragt habe, wie viele Leute nach einem Abend dort morgens aufwachen und sich wundern woher die Brandwunden an den Beinen kommen. In unregelmäßigen Abständen hat dann noch jemand ein Pulver hineingeworfen und damit eine kleine ästhetisch wertvolle Explosion hervorgerufen. Negativer Aspekt an dem Abend war, dass eine aus unserer Gruppe vermutlich irgendwas in ihren Drink gemischt bekommen hat, denn die sah relativ plötzlich relativ ungesund aus. Die Heimreise haben wir dann wieder auf der Ladefläche eines Pick-up Taxis zurück gelegt, diesmal allerdings bei ungefähr 15 Grad weniger Außentemperatur.

Die Abende unter der Woche wird zusammen gekocht und auch wenn es keinen Kühlschrank gibt und somit viele Zutaten ausfallen, werden die designierten Köche doch recht kreativ. Vom vegetarischer Quiche über koreanische Dumplings mit Erdnusssoße bis hin zu Schweizer Rösti ist alles dabei. Und manchmal gibt es unerwartete Zusatzgäste, wie in diesem Fall in Form einer Schlange, die es sich bei uns gemütlich gemacht hatte.




 Vermutlich wurde sie von der warmen Küche angezogen und ist unbemerkt hinein gekrochen als wir am Essen waren. Da die meisten Schlangen hier um der Umgebung giftig sind, hat niemand das Bedürfnis verspürt, ihr Beine zu machen (haha) oder ihr die Ohren lang zu ziehen (haha). Das Problem hatte sich letztendlich dadurch gelöst daß die Schlange sich am Stuhlbein eines Stuhls hoch winden wollten und wir dann den Stuhl mitsamt gewundener Schlange in einen uns kriechtiergerecht erscheinenden Busch stellen konnten. Besuche von Schlangen sind wohl nicht so sehr häufig, aber es ist wohl schon vorgekommen, dass Nichtsahnende auf dem Weg zur Toilette bei Nacht auf der eines der Nope-Ropes oder Danger-Noodles getreten sind und sich dann im Krankenhaus wiedergefunden haben.

Zwar werden in Merazoinia keine giftigen Tiere gehalten, es gibt aber einige Arten die durchaus gefährlich werden können. Eine davon sind die Woolies, oder Wooly Monkeys. Was aussieht wie ein Teddybär nach einem Besuch auf der Streckbank ist eine Affenart, bei der die Männchen teilweise extrem aggressiv reagieren können. Von den drei erwachsenen Exemplaren wurden zwei versucht wieder auszuwildern, aber sie waren zu sehr am Menschen gewöhnt und sie sind nach einer der Freilassungen zurück ins Camp gekommen und haben auch Menschen angegriffen. Auch wenn sie recht knuddelig aussehen, haben sie eine enorme Kraft und riesige scharfe Zähne. 




Einem der letzten Tage war ich mit zwei anderen eingeteilt, den Wooly Käfig zu säubern und mit neuem Futter zu bestücken. Bei den meisten Tieren funktioniert das so, dass der Käfig zweigeteilt ist und sich die Teile abtrennen lassen. Normerweise sind beide Teile zugänglich, wenn an dem Käfig gearbeitet werden muss, wartet man bis alle Insassen auf einer Seite sind, sperrt sie dort ein und kann auf der anderen Seite arbeiten. An besagtem Tage schüttete es wieder wie aus Strömen und wir waren mit der ersten Hälfte des Käfigs fertig und hatten Futter in die zweite Hälfte gepackt, auch damit die Affen zügig die Seite wechseln.

Als wir den Schieber öffneten, machte sich ein wolliges Rudel auf den Weg in den anderen Käfig. Nach einer Sichtkontrolle war der erste Käfig dann wieder leer, sodass wir den Durchgang wieder schließen konnten und damit begonnen, Affenkanalisation zu spielen. Als ich mich dem hinteren Teil des Käfigs näherte hörte ich plötzlich ein gutturales schreien und ein flauschiger Blitz entlud sich an der Käfigtür, welcher sich kurz darauf als Affe entpuppen sollte. Scheinbar hatte sich bei dem Regen ein Exemplar in einer Ecke verkrochen und wir hatten uns bei den aufgeregt umher rennenden Exemplaren im anderen Käfig verzählt. Glücklicherweise handelte es sich bei dem entkommen Affen um den mit Abstand kleinsten und in der Hackordnung am weitesten unten stehenden, sodass er sich für Flucht entschied als er sich in die Enge getrieben fühlte. Die anderen wären wahrscheinlich zum Angriff übergegangen und ich hätte den Abdruck eines Wooly-Gebiss im Hals als Souvenir mit nach Hause nehmen können. 

Als Sicherheitsmaßnahme wurden alle Anwesenden im Camp zusammen versammelt und eingeschlossen. Eine der Tierärzte machte sich dann mit ein paar dicken Handschuhen, einem als Hiebwaffe umfunktionierten Holzbrett und einem Stapel Bananen auf dem Weg zum Flüchtigen. Der hingegen war mit seiner neu gewonnenen Freiheit wohl etwas überfordert und kletterte auf der Außenseite des Käfigs herum, wobei er scheinbar lautstark mit seinen Kollegen die nächsten Maßnahmen besprach. Im Endeffekt waren es dann ein Haufen in seinen noch offenen Käfig geworfene Bananen, die den Ausschlag bei der weiteren Tagesplanung gaben und er ließ sich dankeswerter Weise wieder einschließen. Der Schreck steckte uns aber gut in den Knochen und fortan wurden die drei Affen dreifach kontrolliert.



Freitag, 26. August 2022

Batcave und Baden - oder - Achtung Rutschig

Um für ein bisschen Abwechslung von der Arbeit mit den Tieren zu sorgen gibt es alle zwei Wochen einen Tag an dem das ganze Team der Freiwilligen etwas zusammen unternimmt. Für diese Woche war eine geführte Tour durch einen Regenwald angesagt, wobei das alleine vermutlich nicht den gewünschten Effekt der Abwechslung gebracht hatte. Wir wollten aber auch zwei Höhlen besuchen, die hier in der Umgebung sind und die man besichtigen kann. Nach einer ca. 45 minütigen "Taxifahrt" auf der Ladefläche eines Pick-up nahm uns auch ein Guide in Empfang. Eine Besonderheit war, dass wir unter anderem auch durch primären Regenwald stapften, also solcher, der noch ursprünglich ist und nicht zwischenzeitlich ein Intermezzo als Kuhweide hatte oder dessen Bestandteile mittlerweile ihr Leben als Plastikteller-Ersatz auf einem veganen Streetfoodfestival fristen. Im Gegensatz zu den Bäumen um unser Camp herum gab es da ein paar wirklich beachtliche Exemplare, die so groß waren, dass man im Innern bequem unsern Nasenbären hätte halten können.  



Das eigentliche Highlight waren dann die Tropfsteinhöhlen, für die wir uns mit Kopflampen ausgestattet haben und vor deren Betreten die Rücksäcke abzulegen waren. Wir sollten sehr bald herausfinden, warum.



Das innere der Höhle war ganz anders als ich es mir vorgestellt hatte und keineswegs einfach ein tiefer Gang in den Berg hinein. Dadurch dass die Höhle durch Ausspülugen wasserlöslicher Gesteinsschichten entstanden ist, war der Weg alles andere als barrierefrei. Die meiste Zeit musste in gebückter Haltung durch eine Art Tunnel gekrochen werden, in es teilweise halb-mannshohe Stufen klettern galt. Als Leckerbissen für die Klaustrophobiker musste dann an einer Stelle durch einen Durchgang gekrochen werden, der nur auf dem Bauch krabbelnd passiert werden konnte und bei der man sehr sicher sein konnte, auf der anderen Seite weder Sumo-Ringern noch Kugelstoßern zu begegnen. 



Idealerweise hätte man ein Warnschild mit der maximal zulässigen Konfektionsgröße angebracht und einige aus der Gruppe haben sich auch dazu entschieden, dass sie großzügigerweise zurückbleiben und vor herannahenden Höhlen-Panthern warnen können. Auf der anderen Seite angekommen gab es als Belohnung ein paar Fledermäuse zu sehen, die es sich in Felsspalten gemütlich gemacht haben. 



Eindrucksvoll waren auch die ganzen Stalaktiten und -miten, aber nach der ganzen Kraxelei waren wir furchtbar eingesaut von der ganzen Erde. Draußen angekommen erzählte uns der Guide die Geschichte der Entdeckung der Höhle, die in den 1970er Jahren von einem Arbeiter gefunden wurde, dessen Hund versehentlich in den Eingang geplumst war. Auf der Suche fand er zwar seinen Hund, dann stattdessen aber den Ausgang nicht mehr so wirklich, sodass er 4 Tage in der Höhle verbringen musste bevor wie durch ein Wunder zufällig gefunden wurde. Er hatte sich wohl ohne Taschenlampe ins Innere auf gemacht und hinterher geschworen, er habe Feen und Trolle in den 4 Tagen durch die Höhle marschieren sehen, was vielleicht nahelegen könnte dass er ein bisschen viel am Fledermauskot geschnuppert hat, der überall in der Höhle verteilt war.

Auf dem Rückweg gab es noch einen Badestop an einem Fluss, inklusive eines natürlichen Sprungturms und einem durch ausgespülte Steine entstandenen natürlichen Pool.





Als wäre das nicht genug Auslauf gewesen, hatte ich nach 7 Tagen arbeiten dann meinen ersten Tag frei und konnte mit zwei anderen glücklichen einen Ausflug in die nächste größere Stadt Baños machen, die so eine Stunde mit dem Bus entfernt ist.


Die Fernbusse in Ecuador sind super bequem und weil auf den Hauptstrecken ca. Alle 20-30min ein Bus vorbei kommt, kann man sich einfach an die Straße stellen und den nächsten Bus in die richtige Richtung herbei winken.

Im Innern gibt es heiß ersehnte Steckdosen um Handys zu laden und außerdem läuft immer ein zweitklassiger Hollywood Actionfilm auf einem riesigen Monitor. Ich habe unterwegs Luis getroffen, ein 80 jähriger Ecuadorianer, der aussah wie höchstens 65 und ein Großteil seines Lebens als Lehrer in Australien verbracht hat. Mit dem konnte ich mir die Zeit besser vertreiben als mit mit einem seltsamen Film über einen Roboterhund und er konnte auch die wichtigsten Phrasen Deutsch, wie "Guten Tag" und "Prost".

In Baños angekommen mussten wir erst einmal unser Defizit an uns sonst nicht zugänglichen Speisen kurieren und auch Käse relativ weit oben steht, war Käsekuchen die nächstbeste verfügbare Alternative.

Die Stadt selbst scheint überwiegend vorm Tourismus zu leben und überall kann man Werbung für Touren zum Zip-Lining, Canyoning oder zu Wasserfällen sehen. Die Stadt an sich ist aber ganz nett und vor allem gibt es einen richtigen Supermarkt, den wir um ein paar Tüten ungekühlt haltbaren Parmesan, Schokolade und Guave Marmelade erleichtern konnten.

Eine von uns Freigängern hat eine von einem selbsterklärten Arzt diagnostizierte Glutenunverträglichkeit, was uns zu einem Laden führte, der Brot aus Mehl der Yuca Wurzel verkauft. Dabei ist der Begriff "Laden" relativ großzügig auszulegen, denn eigentlich ist es der Keller seines Wohnhauses mit einem Fenster nach draußen und einer Klingel daran. Das ganze hatte einen leichten Hauch von Hänsel und Gretel, doch auf das Klingeln kam ein junger Mann der vollkommen frei von Hexenwarzen war zu uns und fragte wie viel Brot er denn backen sollte. Er macht das Brot immer ganz frisch und bat uns zu sich in die Wohnung, wo ein Fernseher für seine brothungrigen Gäste bereit steht, sowie Internet und Strom, sodass wir bestens aufgehoben waren, während er das Brot buk und uns noch ein paar Reisetipps geben konnte. Für den Rückweg von seinem Laden in die Innenstadt hat er für uns dann im Anschluss noch seinen Nachbarn rekrutiert, der uns in einem Renault Twingo von vor dem Mauerfall ins Dorf kutschiert hat.

Ein weiteres Stück Käsekuchen und einen Espresso später haben wir uns dann wieder auf den Heimweg gemacht. Die Busse fahren durch ein Dorf hindurch, dass in der Nähe unseres Camps liegt, doch die letzten 30 min muss man mit einem Taxi bewältigen, wobei die nur bis ca. 20 Uhr erreichbar sind. Als wir uns gegen 18 Uhr bei strömenden Regen auf den Weg machten war also reichlich Puffer. Womit wir nicht gerechnet haben ist, dass der Bus nach einer Viertelstunde Fahrt einfach stehen blieb und seine Tour auch nicht fortsetzen wollte. 

Man konnte an den Mitreisenden im voll besetzten Bus erkennen, dass irgendwas nicht so richtig Normal ist und insgesamt sollte der Bus ungefähr eine Stunde stehen ohne vorwärts zu kommen. Irgendwann ging es dann man ganz langsam und stückweise weiter. Zwischendurch schaukelte der Bus mal ordentlich und die Reifen drehten teilweise durch, sodass wir uns die Straße entlangruckelten. Mit zweistündiger Verspätung kamen wir dann in den Dorf nahe des Camps an, weit nach Dienstschluss der Taxifahrer. Zum Glück hatte einer der langjährigen Mitarbeiter der Station ein kleines Haus im Dorf das aktuell ungenutzt war und wo wir uns dann einquartieren konnten. Nach ein wenig Recherche bei Twitter konnten wir dann herausfinden, dass es sich bei unserem Verkehrshindernis um einen Erdrutsch gehandelt hat, der kurz vor unserem Bus abgegangen sein muss. Grade mal eine halbe Stunde nachdem wir durch die Schlammlawine gefahren sind wurde die Straße gesperrt und wir wären nicht mehr aus Baños weg gekommen. 

Das folgende Foto habe ich eine Woche später auf der gleichen Route geschossen und man kann gut gut erkennen dass sich da ein bisschen Erde auf den Weg ins Tal gemacht hat.



Einerseits haben wir also Glück gehabt dass wir am nächsten Morgen dann wieder zum Dienst antreten konnten, andererseits hätte eine Zwangspause in der Stadt sicherlich die Chance geboten sich mit dem örtlichen Angebot am Backwaren näher auseinanderzusetzen.


Freitag, 19. August 2022

Dschungelleben - oder - die Wasseruhr im Gummistiefel

 Die Tage hier entwickeln sich zu einer Mischung aus einem Vorbereitungscamp zur Indiana Jones Nachfolge und Überlebenskurs. 

Viele der Tiere brauchen regelmäßig neue Blätter oder Äste, entweder als innenarchitektonische Maßnahme oder als kulinarische Maßnahme. Und da diese Station hier mittlerweile einige Jahre existiert, sind die leckersten Blätter in der Umgebung der Käfige bereits in Tiermägen gewandert und so begibt man sich mittlerweile jedes Mal mit einer Machete bewaffnet auf ein kleines Abenteuer während der Runden. Es ist beeindruckend, wie dicht der Regenwald hier ist und wenn ich daran denke, dass Bagira Mogli im Junglebuch vermeintlich wieder gefunden haben will, so ist das noch unwahrscheinlicher als der Teil mit den tanzenden Affen. Durch die Gegend hier führen ein paar Pfade, über die man zu den Gehegen kommt und bereits einen Meter abseits der Wege sieht man teilweise nichts mehr von dem ehemaligen Weg.



Ab und zu begegnet man auch hier wilden Tieren und direkt am ersten Tag ist mir eine Schlange über den Weg gelaufen, die vermutlich sogar sehr, sehr giftig war. Auch Kolobris, Eidechsen, wilde Tamarins und ein Ameisenbäre sind hin und wieder zu Besuch.


Es ist sehr einfach vorstellbar, dass man hier schnell verloren gehen kann und es ist vor einigen Jahren sogar vorgekommen, dass eine Gruppe auf den Weg zu einem weiter entfernten Gehege unterwegs die Orientierung verloren hat. Die Rettung ist dann ein großer Fluss, der hier entlang führt, sodass man sich anhand der Sonne Richtung Westen orienten kann bis man auf den Fluss trifft, dem man dann ein paar Kilometer bis zum nächsten Dorf folgen kann. 

Überhaupt legt man hier täglich einige Kilometer zurück und das auf winzigen, zugewachsenen und steinigen Pfaden. Dabei ist die Tatsache, dass man permanent Gummistiefel trägt in etwa so hilfreich wie Steak-Gewürz oder ein Käsemesser in dieser Küche und meist baumeln an beiden Armen noch ein paar Kilos Tierkot oder frisch geschnitter und gepellter zukünftiger Tierkot.


Um den Schwierigkeitsgrad noch ein wenig zusätzlich zu steigern trägt das Wetter hier seinen Teil dazu bei, dass der Urwald nicht Opfer von Überbevölkerung werden wird. Auch wenn der Name Regenwald ein gewisses Maß an Niederschlag bereits nahelegt, ist das Erlebnis eines tropischen Regens dann doch immer wieder erstaunlich eindrücklich.

Wenn es dann Mal regnet hat man ziemlich wenige Chancen trocken zu bleiben, zumal einige der Käfige mit Baumstämmen und Pflanzen mehr vollgestellt sind als eine IKEA Modellwohnung. Man krabbelt also viel auf dem Boden herum und das Wasser findet immer seinen Weg. 


Ab und an gibt es dann ein paar Spezialaufträge, zum Beispiel wenn Käfige umgebaut oder erneuert werden. Für einen der Affenkäfige werden neue Baumstämme gebraucht und die müssen dann in Ermangelung mechanisierter Transportmittel getragen werden. Bei so ca. 100 - 150kg pro Baumstamm ist das gar nicht so einfach auf diesen Waldläufer-Pfaden mit den Gummistiefeln.




Mein Favorit bisher war der Stein- und Sandtransport, wobei Steine und Sand aus einem Fluss entnommen werden und entsprechend eine ausgeprägte Grundfeuchtigkeit mitbringen. In Säcke gefüllt und über der Schulter getragen haben sie die wunderbare Eigenschaft, einen stetigen Rinnsal an Wasser zunächst den Rücken, dann Beine bis in die Stiefel aus den Säcken fließen zu lassen. Das kühlt einerseits den Tragenden, andererseits kann man am Wasserstand in den Stiefeln ertasten, wie lange es ungefähr noch bis zur Pause ist.

Zudem durfte ich die Woche noch zwei Bewohner hier kennen lernen. Einmal die Puma-Dame Pangui, die als Attraktion illegal in einem Hostel gehalten worden war und dann schon vor vielen von der Polizei an Merazoinia übergeben wurde. Ihr Käfig wirkt etwas dunkel und verlassen, was auch daran liegt dass man nur mit großem Aufwand den Puma in einem anderen Käfig zwischenlagern kann und so seltener im Gehege arbeiten kann. Wir haben ihr aber einen Baum ausgegraben und in einen riesigen Eimer verfrachtet, sodass bei der nächsten Gelegenheit ihr Zuhause etwas aufgehübscht werden kann.


Ein  anderer Bewohner, der eigentlich nur zu Gast ist, ist Frederico der Ameisenbär. 
Er ist als Baby auf die Station gekommen und wurde hier hoch gepeppelt. Eine Zeit lang war einer der Freiwilligen dazu abkommandiert, mit ihm täglich durch den Jungle zu marschieren und mit ihm Termitenhügel zu suchen um ihm beizubringen was man so essen könnte als Ameisenbär. Vor einigen Wochen wurde er dann in die Freiheit entlassen, kommt aber hin und wieder freiwillig zurück ins Camp spaziert. Wenn er dann viel Gewicht verloren hat oder unter Parasiten leidet, die behandelt werden müssen, darf er sich dann ein paar Tage in seinem alten Zuhause ausruhen.










Montag, 15. August 2022

Nächste Station Ecuador - oder - auf nach Merazoinia

 Nach ein paar Zwischenstationen in den letzten Wochen hat es mich jetzt nach Ecuador verschlagen, wo ich für einen Monat in der Tieraufgangstation Merazoinia mitarbeite.

Nach einer kleinen Odyssee über Madrid und Bogota war mein erster Kontakt mit Ecuador dann die Hauptstadt Quito, wo ich eigentlich von einem Shuttle meines Hotels abgeholt werden sollte. Der Taxifahrer hat aber wohl unterwegs einen kleinen Unfall gehabt, sodass ich ein bisschen länger am Flughafen hing und bereits Gelegenheit hatte mich mit den örtlichen Ordnungshütern bekannt zu machen. Nachdem ich als einer der letzten in der recht kleinen Abflughalle des Flughafens zurück geblieben bin und wartete fragten mich ein paar "Touristen-Polizisten" ob alles okay sei. Es offenbarte sich allerdings schon ein Problem, dass ich häufiger haben sollte - denn anstatt mich auf Englisch zu fragen, taten sie es erst auf Spanisch und anschließend mit einer selbst erschaffenen Abwandlung von Gebärdensprache. Englisch ist in Südamerika wohl ebenso wenig verbreitet wie Currywurst und so war das nicht die letzte Konversation die in einem Ganzkörperworkout mündete.

Quito selbst ist eine ganz hübsche und mit 2,7 Millionen Einwohnern erstaunlich bevölkerungsreiche Stadt, die mit 2850m Höhe die höchste Hauptstadt der Welt ist. Schon auf dem Weg vom Flughafen konnte man sehen, dass die Landschaft hier extrem zerklüftet und hügeliger ist als Tübingen. Außerdem gibt es rings herum einen Haufen wirklich hoher Vulkane, die immer für ein hübsches Panorama sorgen wenn man sich in der Stadt umschaut. Auf einen der mit 4700m höchsten Vulkane führt wohl auch zumindest auf halbe Höhe eine Seilbahn, die bei mir noch auf der To-do-Liste steht.

Ich bin am Tag der Unabhängigkeit in Quito angekommen und am passend benannten Platz der Unabhängigkeit wurde fleißig eben besagte Unabhängigkeit ganz unabhängig gefeiert. Ich weiß nicht ob es an diesem Feiertag lag, aber ich glaube ich habe noch in keiner Stadt der Welt eine so hohe Dichte an Polizisten gesehen. Viele davon unterwegs auf Cross-Mopeds wie man sie eigentlich eher bei der deutschen Dorfjugend erwartet hätte als bei Staatsbeamten.

Auch wurden sämtliche Taxis die den Flughafen verlassen haben angehalten und auf eine gültige Registration geprüft, was es mir diesmal erspart hat, größere Geldspenden in die lokale Taxifahrer-Community zu tätigen. Uns mit 25$ für eine fast einstündige Taxifahrt von Flughafen ist es so ein wirklich kostengünstiges Fortbewegungsmittel.

Quito selbst hat einen positiven Eindruck hinterlassen, obwohl ich zunächst einmal nur einen halben Tag Zeit hatte durch die Stadt zu streifen, nachdem ich mittags angekommen bin. Mit seinen engen Gassen in der Altstadt und ein paar Kolonialbauten und verhältnismäßig wenig Müll und offensichtlichen Gaunern auf der Straße scheint man es dort aushalten zu können.

 Am nächsten Tag ging es dann aber wieder raus aus der Zivilisation und mit einem Fahrer ungefähr fünf Stunden in den Südosten in eine deutlich weniger bevölkerte Gegend. Die nächste größere Stadt in der Gegend ist Baños, ca. Eine Stunde entfernt, in der es dann auch wieder Geschäfte oder Hotels gibt. Dort machten wir auf dem Weg zum Merazoinia Camp dann auch noch einen Stop und aus meinen schlechten Erfahrungen aus Afrika mit gefärbten warmen Wasser habe ich zum Glück gelernt und die letzte Möglichkeit genutzt noch einmal Kaffee einzukaufen.

Der Weg zum Camp selbst ist die letzte halbe Stunde eine Schotterstraße, sodass es fern ab jeglicher Zivilisation liegt. Eine kleine Holzbrücke führt über einen Fluss und mit dem betreten und dem überqueren des Flusses hat man das Gefühl, auch sinnbildlich die Zivilisation hinter sich zu lassen.



Das Camp selbst ist relativ einfach aufgebaut und diejenigen, die ich aus Afrika kannte wirken jetzt rückblickend wie das Ritz Carlton mit Mückennetzen. 


Hier gibt es statt einzelner Zelte einen großen Schlafraum, den sich insgesamt 10 der Volunteers teilen. 


Insgesamt gibt es im ganzen Camp keine Elektrizität, sodass Abends im Kerzenschein gekocht wird und man auf dem Weg zur Toilette entweder seine Kopflampe einpacken sollte oder einen sehr guten Draht zu den Glühwürmchen haben sollte, derer es hier einige gibt. Auch den Luxus von Kühlschränken oder Wasserspülung bei den Toiletten gibt es hier nicht.



 Alles Essen das hier lagert muss sich auch ungekühlt halten, sodass das Camp einerseits eine vegetarische Umerziehungsanstalt ist, aber auch Käse oder Joghurt ein paar Wochen nur noch in meinen schmachtenden Träumen aufschlagen.

Die Arbeit hier beginnt um 07:30 und teilt sich insgesamt in drei Runden auf. Je nachdem welches Tier versorgt wird, muss der Käfig ein bis zweimal gesäubert werden, wobei man teilweise den Eindruck gewinnen muss, dass die Rache für ihre Unfreiheit eine sehr explosive Ernährungsweise ist. Der Boden der Käfige sieht dann so als als hätte man einem Kleinkind einen Obstsalat in die Hand gedrückt und es gebeten ein Relief des schönsten Ferienerlebnisses zu bauen.

Nachdem alles aufgeräumt, geschrubbt und alle Blätter vom Boden gesammelt sind, wird liebevoll und kreativ neues Futter versteckt. Außerdem gibt es für die Tiere jeweils immer in paar kleine Extras, die dabei helfen sollen dass sie nicht anfangen sich zu langweilen und dann mit dem Rauchen anfangen oder andere dumme Sachen machen. 

Aktuell kümmere ich mich im Ayla, eine Tayra - sieht ein bisschen aus wie ein Wiesel oder Frettchen, das reichlich Fruchtzwerge und Proteinshakes genascht hat -, um Mo den Nasenbären und um Meira und Ryan die Capuchins, eine kleine Affenart.






Mo ist großer Fan von Würmern und Fisch und da sich beide dummerweise erstaunlich selten von alleine in seinen Käfig verirren, müssen wir da ein bisschen nachhelfen. Das heißt, dass wir dann beispielsweise mit einem Spaten bewaffnet den Boden umgraben und Mo ein paar hübsche Regenwürmer ausbuddeln. Außerdem war ich erstaunt, wie gut sich eine PET-Flasche in eine Fischräuse verwandeln lässt, in die sich - mit Brot als Köder bestückt - unerwartet häufig auch ein Kiemenatmer verirrt, der dann unfreiwillig in die Unterhaltungsbranche wechseln muss. 

 



Andere Affen lieben Heuschrecken, sodass sich hin und wieder eine Gruppe aufmachen muss und das Gestrüpp nach Grashüpfern durchkämmt. Es stellt sich dann allerdings sehr schnell heraus, dass die Jagd erstens gar nicht Mal so einfach ist und die Viecher scheinbar Zweitens in der Lage sind ihren Aggregatszustand zu gasförmig zu wechseln und scheinbar magisch aus der Hand verschwinden können, die sie eben noch scheinbar fest umschlungen hatte.

Montag, 13. Juni 2022

Jeffrey's Bay - oder - Fliegende Fladen

Als Abschluss der Afrika-Episode war für die letzte Woche Surfen und Strand-Feeling angesagt. Nachdem meine letzten Surfversuche vor einigen Jahren darin geendet sind, dass ich zwar den Anstieg des Meeresspiegels kurzfristig aufgehalten konnte, sich in meinem rechten Lungenflügel jedoch unbeabsichtigt eine Saline gebildet hat, war ich zugegebenermaßen etwas skeptisch. 

Der Surflehrer war aber super und hat dafür gesorgt, dass sich das Maritime Leben diesmal weitgehend außerhalb meines Magens abgespielt hat. Der 3. Und 4. Tag war aber gezeichnet von wirklich sportlichen Wellen und man hat ein Gefühl dafür bekommen, was da für Gewalten wirken. Wenn mein untrüglicher Sinn fürs Gleichgewicht mich wieder dazu veranlasst hat, beim Aufstehen vom Brett das selbige zu verfehlen und die Wogen über einem zusammen schlagen ist das schon ein sehr interessantes Gefühl und ich habe mehr als einmal lustige Purzelbäume im Wasser geschlagen bevor es dann wieder an die Oberfläche ging. Aber wir habe gute Fortschritte gemacht und am letzten Tag hatten wir zwar Recht winzige Wellen, aber ich habe die überwiegende Mehrheit davon als Mitreitgelegenheit nutzen können. Und wenn dann doch ein größerer Haufen Wasser von hinten angerollt kam, den man mitnehmen konnte hat es schon wirklich Spaß gemacht. 

An einem der Tage hatten wir sogar das Glück, dass in ca. 50m Entfernung vom Surfspot Delfine aus dem Wasser gesprungen sind. Ein zweifelhaftes Vergnügen mit anderen Flossentieren hatten Mädels, die in der Lodge untergebracht waren und den fortgeschrittenen Kurs besucht haben. Die wurden an einem der Tage von ihrem Lehrer mit mühsam beherrschtee Leichtigkeit gebeten jetzt unmittelbar das Wasser zu verlassen. Im Nachhinein hat sich herausgestellt, das Johnny, der weiße Hai wohl eine Flosse aus dem Wasser gehalten hatte und am nächsten Tag war wohl sogar ein Hubschrauber da um das Wasser in Ufernähe während der Surfstunden auf eine überproportionale Menge Zähne pro Meeresbewohner zu untersuchen.

Ein weiterer Vorteil an der Surflodge waren die Aktivitäten, die vom Betreiber angeboten wurden und bei denen man sich nach Belieben einklinken konnte. Direkt am ersten Tag hatten wir das Vergnügen mit "Hairy Harry", einer Legende der lokalen Seefahrt, eine Tour mit seinem Boot raus auf den Ozean zu machen. Zu sehen gab es ein paar Robben, die es sich auf einem Felsen gemütlich gemacht hatten und in der Ferne den Blas eines Buckelwals. Den Urheber selbst konnten wir trotz intensiver Suche leider nicht entdecken, dafür hatte Harry noch ein paar Weisheiten für uns parat, was die Frequenzen der Ozeanwellen und unsere Elektromagnetische Strahlung anbetrifft. Ich bin mir nicht sicher ob seine Ausführungen durch die aktuelle Lehrmeinung im Bereich Quantenmechanik oder Molekularbiologie gedeckt ist, aber es war sehr erhellend ihm zuzuhören.

Ein kleines Highlight des Aufenthalts war ein Ausflug zum einem kleinen Flugplatz, an dem man über der Bucht von Jeffrey's Bay Fallschirmspringen konnte. Nachdem ich ja ein großer Fan luftgebundener Fortbewegung bin, wollte ich mir das auch nicht entgehen lassen und habe einen Hüpfer aus dem Flugzeug gewagt. Besonders interessant war die hauseigene Start- und Landebahn, die ein mehr oder weniger verdecktes Doppelleben als Kuhwiese geführt hat. Nachdem ich irgendwann Mal gelernt habe, dass bereits kleinere Mengen Eis an den Steuerflächen eines Flugzeugs die Flugeigenschaften spürbar beeinflussen können, war ich etwas skeptisch bei dem Anblick der drei bis vier Kuhfladen, die über Tragfläche und Höhenruder verteilt klebten - im Endeffekt wohl aber zu Unrecht. Mein Tandempilot war ein super sympathischer Typ mit über 12.400 absolvierten Sprüngen, der allerdings im Umgang mit der GoPro noch ein wenig üben musste. Auch wenn er im Flug extra Bilder gemacht hatte, so dann überwiegend von meinen Fingernägeln oder Ohrläppchen. Die beiden folgenden Exemplare waren dann aber doch halbwegs verwertbar:



Der Blick über die Bucht auf der einen Seite und eine kleinere Gebirgskette auf der anderen Seite war wirklich episch und alleine für den Rundflug hätte sich sie Aktion schon gelohnt gehabt.

Am nächsten Tag haben wir es dann etwas gemütlicher angehen lassen und sind anstatt der 300PS der Piper Cherokee Six mit nur einer Pferdestärke unterwegs gewesen. Meine Pferdestärke hieß Guinness und war ein etwas unmotivierter Schimmel, auf dem ich durch das Kabeljous Nature Reserve getrottet bin. Guinness war jetzt kein übermäßig ambitionierter Zeitgenosse sonder eher ein bisschen ein Trödler, was aber den Vorteil hatte das man mit ihm dann dem Rest der Gang hinterher traben konnte, wenn er mal wieder den Anschluss verloren hatte. Der Weg, den wir geritten sind war aber wunderschön und besonders am Strand entlang hat das weiß der Sanddünen mit dem Blau des Meeres und das Himmels ein perfektes Panorama ergeben. 


Während des Ritts am Strand sind wir dann noch einen Rochen im Wasser begegnet und am Wegesrand konnten wir eine wunderhübsche Puffotter sehen. In dem Moment waren wir auch ganz dankbar für die langen Beine der Pferde, denn so hübsch eine Puffotter auch ist, ich möchte mir ihre hohlen Zähne ungerne aus der Nähe anschauen.

Die Abreise aus Jeffrey's Bay fiel mir dann doch etwas schwerer, denn dort kann man sich echt wohl fühlen. Die Stadt hat eine entspannte Atmosphäre und alles dreht sich ums surfen ohne dabei zu aufdringlich zu sein. Das erste Mal waren die Straßen keine Schluchten zwischen riesigen Mauern und mit einem Bier am Aussichtspunkt "Supertubes" zu sitzen und den Pros beim Surfen zuzuschauen hat auch was.
Die Sicherheitskontrollen beim Rückflug waren auch interessant: bei fast jedem der Passagiere die durch den Metalldetektor gelaufen sind leuchtete der rot auf und nicht ein einziger wurde anschließend kontrolliert. Das wirft dann schon die Frage auf, ob man den Strom für den Metalldetektor nicht besser in eine glücksbringende Winkekatze oder eine Bandansage mit der freundlichen Bitte, keine Anschläge zu verüben,  investieren sollte.

In Johannesburg angekommen halt es, noch einen halben Tag bis zum Flug am Abend zu verbringen. Und damit ich dann noch Mal die Chance bekomme, das ungeschminkte Afrika kennen zu lernen habe ich eine Tour durch Soweto gebucht, das größte Township Südafrikas.
Mein Guide Sunny war auch wirklich super und kannte scheinbar die ganze Stadt. Als uns auf dem Weg durch Johannesburg die Polizei zu einer Straßenkontrolle raus ziehen wollte hat er sie auch prompt ignoriert mit dem Kommentar "das sind noch Junior Polizisten - von denen lasse ich mir kein Schmiergeld abnehmen".
In Soweto selbst konnte man wirklich eindrucksvoll beobachten wie Ober-, Mittel- und Unterschicht jeweils nur eine Straße entfernt ebeneinander leben. Der Millionär und Besitzer eines Fußball Clubs wohnt eine Straße entfernt von Wellblechhütten. Am interessantesten war eigentlich die "Kunstfertigkeit" mit der die Einwohner die Stromversorgung ihrer Nachbarn angezapft haben um sich mit Elektrizität zu versorgen. Scheinbar wird das bis zu einem gewissen Grad von der Regierung geduldet, aber der Himmel über den Hütten sieht aus als würde der Angriff der Killer-Tentakel bevorstehen, bei den ganzen Kabeln die in der Luft hängen.

Teil der Führung war auch ein Blick in eine der Wellblech Hütten und ich muss sagen, dass sie von außen deutlich schlimmer aussehen als von innen. Die Bewohner hatten es sich eigentlich recht wohnlich eingerichtet und ich bin mir sicher meine erste Studentenwohnung war schäbiger. 

Nach einem Abstecher über Nelson Mandela's Haus, ein paar der FIFA Weltcup Fußball Stadien und einer Bungee Jump Anlage, die ich zwar nicht ausprobiert habe, die aber hübsch aussah, ging es dann nach Hause.


Jetzt geht's in Flieger wieder nach Deutschland. Was ich sicher nicht vermissen werde ist der Sonnenuntergang um fünf Uhr abends und die wenig freundlichen Städte. Aber es wird ganz sicher nicht das letzte Mal gewesen sein, dass ich im Afrika bin.